Ja, es ist schon eine lange Zeit und ich wurde gefragt, ob ich darüber einen kleinen Bericht schreiben könnte. Dazu muss ich vorab ein paar Jahre zurückgehen, da das Thema Ruderausbildung eigentlich seit 1990 nicht mehr auf meiner Agenda stand.
Nachdem mir eine Olympiateilnahme im Jahr 1980 durch einen politischen Boykott nicht möglich war, „wechselte ich die Seiten“ und übernahm bis kurz vor der Wende das Traineramt in unserem Club. Das war eine schöne Zeit und wir konnten neben einigen Vereinsregattapokalen sowie über 100 Siegen auch Medaillen auf Jugendmeisterschaften gewinnen. Was sicherlich viele, die mich kennen erstaunt hatte, verschwand der Rudersport für viele Jahre aus meinem Zielbereich und ich wurde bis 2003 nur als „Karteileiche“ geführt.
Über meine Kinder begannen im Jahr 2004 neue Kontakte mit dem Rudersport im Ruder-Club Tegel – was wohnortbedingt naheliegend war. Zusätzlich wurde ich dort für die Gestaltung und Betreuung der Webseite des Clubs beworben – kurz danach war ich schon Pressewart des Clubs – ja, so schnell geht das eben …
Der Club führte seit Jahren auch ein erfolgreiches Fit für Freizeit Programm, welches im Deutschen Ruderverband ein Alleinstellungsmerkmal hatte. Dort wurden neben Ruderkursen auch viele andere sportliche Aktivitäten vom Kinderturnen über Rückengymnastik bis zum Aqua Fitness angeboten. Da sich niemand fand das Programm 2009 weiterzuführen, konnte ich meine Frau Franziska dafür begeistern das Programm zu übernehmen. Sie baute das Programm in den folgenden 12 Jahren auf ein bis heute unerreichtes Niveau auf. Halbjährlich wurden von ihr über 600 Teilnehmer in über 40 Kursangeboten betreut.
… und was hat das mit den Ruderkursen zu tun? Ein bedeutender Bestandteil des Programms waren die 8 bis 10 Ruderkurse. Eigentlich wollte ich sie hier nur unterstützen und erstellte halbjährlich das Programmheft. Dann wurde ich im Club gefragt, ob ich nicht die Ruderkurse als ehemaliger Trainer im Winter übernehmen könnte und die Wanderruderer könnten hier Unterstützung gebrauchen. So übernahm ich 2009 die Ruderkurse im Winter beim Kastenrudern. Für mich war es von Anfang an wichtig, hier mit Struktur zu arbeiten und das Feedback der Teilnehmer im Programm mit einzuarbeiten. Eigentlich glaubt mir heute keiner mehr das ich seit etwa 1982 ich nicht mehr im Ruderboot gesessen hatte.
Schon im Folgejahr wollten die Kursteilnehmer, dass ich sie auch auf dem Wasser betreuen würde – doch das war dann eine andere Herausforderung als im Kasten und ein freier Tag musste auch noch gesucht werden. Es wurde der Samstag und bedingt durch unser Kurskonzept gleich die Gesamtkoordination mit entsprechenden Übungsleitern an 4 Tagen in der Woche. Glücklicherweise gab es für einige Tage schon ein paar erfahrene Betreuer, die einzelne Kurstage betreuen konnten. Da wir aufgrund verstärkter Nachfragen noch weitere Tage anbieten mussten, gelang das nur über die von mir durchgeführte Ausbildung ehemaliger Kursteilnehmer zu Kursbetreuern. In den 12 Jahren erwarben einige Betreuer auch noch Trainerlizenzen.
Es zeigte sich aber auch, das Rudern einen hohen Gesundheitswert hat und den kompletten Körpereinsatz erfordert. So begann ich selbst (nach 20 Jahren!) wieder im Boot zu rudern (mit meinem damaligen Körpergewicht war es schwer möglich den Teilnehmern das Ein- und Aussteigen im Boot zu zeigen …). Allerdings veranlasste das gleich einige Kursteilnehmer zu fragen, ob sie ebenfalls an meinem Fitnessprogramm teilnehmen könnten, um vielleicht mal auf einer Regatta zu rudern. Da der Deutsche Ruderverband das Gesundheitszertifikat Rudern gerade ins Leben gerufen hatte, zählten wir zu den Ersten, die dieses Zertifikat bekamen. Das Fitnessteam (so hieß das Trainingsteam im RC-Tegel) war ein wesentlicher Bestandteil, zumal die Mitglieder alle aus unseren Ruderkursen kamen.
Im Jahr 2015 konnte das Fitnessteam mit dem ersten Vierer auf der Langstreckenregatta „Quer durch Berlin“ an den Start gehen. In den Folgejahren schickten wir immer einen Achter und ein paar Vierer an den Start. Was nicht jedem bekannt ist, hat sich das Ruderleitbild ab 2013 bereits in der Rudertechnik verändert. Natürlich wurde das in unseren Kursen beachtet und ich selbst habe meine Technik entsprechend umgestellt. Eine wesentliche Änderung war, dass die Hände in der Rücklage nicht mehr schwungvoll „nach vorne beschleunigt“ werden, sondern die gesamte Freilaufphase konstant geführt wird. Außerdem wird die Rücklage nicht mehr am Körper vorbei, sondern nur noch bis zum Bauch geführt. Wichtig sind der verstärkte Endzug sowie das „weiche“ Wasser fassen. Die Auslage bleibt weit vorne und man zieht sich konstant mit den Füßen zur Auslage.
Im Jahr 2020 überraschte uns dann ein Virus, der das gesamte Kursprogramm zum Stillstand zwang. Es gab auch ein paar fragwürdige Senatsentscheidungen zum Mannschaftsrudern mit einem freien Platz … auch diese Periode konnten wir noch gut meistern und wollten im Winter 2020/2021 wieder durchstarten. Dieses Programm musste wegen erneut erhöhten Virusinfektionen abgebrochen werden und so fand sich ein Zeitpunkt für Franziska und mich die Programmführung und Ruderkurse abzugeben. Leider gab auch ein paar Unstimmigkeiten mit dem Vorstand die uns dann den Abschied „vereinfachten“. Viele Kursteilnehmer haben sich bei uns persönlich für die 12 Jahre bedankt und auch das Fitnessteam hat sich für meine Trainingsarbeit mit einer Abschlusstour bedankt.
So wurde meine schon lange geplante Rückkehr in meinen Heimatclub – dem Potsdamer Ruder Club-Germania (hier war ich von 1967-2003 Mitglied) – beschleunigt und seit 2021 bin ich wieder Mitglied. Natürlich fragte mich unser damaliger Vorsitzende Kurt gleich, ob ich hier die Koordination der Ruderkurse übernehmen könnte. Doch ohne DRV-Gesundheitszertifikat? Ich konnte mein Konzept was für eine Bewerbung erforderlich war, mit Klaus – der gleich mit dabei war – kurz abstimmen und noch vor Kursbeginn im September 2021 hatten wir das Zertifikat. Ein großer Vorteil war, dass ich meine ehemaligen Trainingsleute begeistern konnte uns bei den Kursen zu unterstützen. Denn eine Sache ist klar: Auch wenn ich 15 Jahre Ruderkurse koordiniert und geleitet habe, so wäre ein Erfolg ohne die vielen Unterstützer nie möglich gewesen! Wie es im Rudersport üblich ist – es ist immer Teamarbeit und ich war bestenfalls ein Koordinator, der alle zusammengehalten hat!
Im Gegensatz zum Start der Ruderkurse 2009 konnte ich inzwischen wieder rudern und war ja auch aktiv. Die Erfahrungen des Ruderkonzeptes in Tegel konnten wir hier weiter optimieren und vorantreiben. Ein Fitnessteam hat sich schneller als erwartet gebildet, denn schon im Jahr 2022 schickten wir den ersten Achter zur Regatta „Quer durch Berlin“. Im Folgejahr waren es schon 2 Achter und das Team hat dank Pauline einen markigen Namen erhalten: PowerTeam!
Unsere Ruderkurse verteilten sich auf 3 Jahresblöcke. Block 1 startet nach den Osterferien bis zu den Sommerferien (Mittwoch/Samstag, wobei am Samstag vor dem Rudern noch 30min Technik auf dem Ruderergometer geübt wird). Nach den Sommerferien startet Block 2 bis zu den Weihnachtsferien (Mittwoch/Samstag, wobei ab November am Mittwoch Kastenrudern ist). Der letzte Block startet im Januar bis zu den Osterferien (Mittwoch/Samstag, wobei Mittwoch Kastenrudern ist). Das Rudern am Samstag in den Wintermonaten hängt von der Eisfreiheit ab (alternativ würde der Ruderergometer angeboten).
Für Neumitglieder aus den Kursen wurden Einerkurse im Sommer und ein Obleutelehrgang angeboten. Alle anderen Neumitglieder können zu den Standardterminen Mittwoch (18 Uhr) und Samstag (15 Uhr) weiterrudern und sich natürlich an Wander- und Sternfahrten beteiligen. Über eigene App-Gruppen haben sich auch schon viele selbst organisiert und rudern auch an anderen Tagen. Sportlich aktivere Neumitglieder können sich im PowerTeam bewerben, wo regelmäßig am Montag auf dem Wasser trainiert wird und in den Wintermonaten am Freitag in der Kastenruderanlage.
Seit 2021 haben wir mit dem Kurskonzept tatsächlich 80 Neumitglieder gewinnen können was mich besonders erfreut, da diese Quote in Tegel seinerzeit so nicht erreichbar war und im Kern auch nie mein Ziel war. Wichtig ist, dass wir den Kursteilnehmern die Sportart Rudern anbieten und sie Freude daran haben diese Sportart selbst auszuüben. Rudern ist eine Ganzkörpersportart und gesundheitsfördernd. Wasser, Luft, Bewegung und Natur mit Wind, Regen, Sonne und vieles mehr. Der „einzige Nachteil“ ist der zeitliche Aufwand vor und nach dem Rudern. Boote zu Wasser bringen, Ruderfahrten erfassen und nach der Rückkehr Boote säubern, Fahrten austragen sowie Bootshallen als letztes Boot schließen …
Für mich als Koordinator gab es noch ein paar andere Nebentätigkeiten (Kurslisten führen, neue Teilnehmer einweisen, Grundkonzepte aufbereiten, Signal-App pflegen, wo sich die Teilnehmer bei Verhinderung abmelden und natürlich immer eine ausreichende Anzahl an Übungsleitern zur Verfügung zu haben). Ja, das alles habe ich nun gute 15 Jahre in zwei Ruderclubs durchgeführt und denke, dass dies nun andere übernehmen können und sollten.
Wichtig ist, dass weiterhin aus den Kursen nach den Sommerferien auch Neumitglieder für unsere Clubgemeinschaft gewonnen werden können und teilweise ins PowerTeam wechseln. Dieses Team werde ich natürlich weiterführen, da es in den letzten Jahren mit knapp 30 Mitgliedern größer geworden ist und ich unsere Programme entsprechend aufbereiten muss. Glücklicherweise ist Martin Schindler – unser Clubtrainer – ebenfalls vom RC-Tegel zu uns gekommen. Er hatte im RC-Tegel unser Fitnessteam vereinzelt betreut und wir konnten ihn hier für unser PowerTeam gewinnen.
Es hat mir sehr viel Spaß gemacht mit unseren Kursteilnehmern und Übungsleitern jahrelang zusammen zu arbeiten. Was die Rudertechnik und viele Optionen des Umsetzens angeht, so habe ich selbst viel Neues dazulernen können. Dazu zählt auch die Umsetzung des aktuellen Ruderleitbildes.
Ob unser Konzept erfolgreich war, müssen andere entscheiden. Dadurch, dass wir in den letzten Jahren vieles angepasst haben, würde ich ein Konzept heute wieder genauso aufbauen. Jeder Neue hat eigene Ideen, die er umsetzen soll – die Kursteilnehmer und das Ziel Spaß und Freude am Rudersport, sollten dabei immer beachtet werden. Ein Zwang zur Clubmitgliedschaft sollte es bitte nicht geben!
Was mir beim allgemeinen Rudern als nicht fördernd aufgefallen ist, wenn langjährige Mitglieder vereinzelt das Rudern neuer Mitglieder in unschöner Weise kritisieren – leider sind es oft diejenigen, die selbst unsauber rudern. Wer dies behutsam und fördernd macht, kann nichts falsch machen. Unsere neuen Mitglieder sind für positive Hinweise immer dankbar und versuchen das umzusetzen. Liebe Kritiker – bitte beachtet das zur Förderung unserer Clubgemeinschaft und isoliert oder schließt gar neue Mitglieder bzw. Gäste nicht aus! Jeder ist bei uns Willkommen!
Mein abschließender Dank geht vorab an meine ehemaligen Trainingsleute, Klaus Harke, Alexander Lappöhn und Philip Grau. Unterstützt wurden wir auch von Corinna und Bettina Blanckmeister, Gernot Jung, Ingo Hüttner, Fabian Engelmann und Thomas Kröschel. Aus den Kursen konnten wir Johann Köpke und Christina Schulze für viele Betreuungseinheiten gewinnen können. Es gab vereinzelt auch immer wieder Mitglieder, die kurzfristig eingesprungen und geholfen haben. Seitens unserer Kursteilnehmer gab es nie ein negatives Zeichen zur Arbeit aller Übungsleiter und Betreuer. Ich selbst war begeistert, wie ihr Euch in diese ehrenamtliche Tätigkeit hineingeworfen habt und auch selbst immer wieder Möglichkeiten gesucht und gefunden habt, den Kursteilnehmern die Rudertechnik beizubringen. Der Gedankenaustausch mit Euch hat dem gesamten Konzept und mir immer geholfen. DANKE!
Nicht unerwähnt darf auch unser Bootswart Mathias Zwirner sein (gehörte auch mal zu meiner Trainingsgruppe). Er hat uns immer auf die saubere und richtige Behandlung der Boote und des Materials hingewiesen (manchmal etwas energischer, oft aber richtig hinweisend) und vor allem schnell geholfen, wenn mal etwas kaputt gegangen war. Auch bei denen die ich hier nicht erwähnt habe die aber vereinzelt eingesprungen sind, möchte ich mich ausdrücklich bedanken – ohne Eure Unterstützung wäre unser Kurserfolg nie möglich gewesen und ich war nur der kleine Motor, der Euch angetrieben hat.
Aktuell hat unser Vorsitzende Axel die Koordination übernommen. Ich hoffe, dass dies nur eine Übergangslösung ist und sich rudersportlich erfahrene Mitglieder finden, die das zukünftig übernehmen.
Lutz Redlinger